Interview

Interview

Frau K.:

Herr Vockel, wenn man Ihre Vita liest, könnte man Sie als alten Hasen in der Industrie bezeichnen?

Vockel (lacht):

Ja, gerne auch als Ackergaul. Ich habe immer gerne gearbeitet, aber am liebsten mit den Händen, wie meine Familie heute noch sagt.

Frau K.:

Was hat Sie angetrieben?

Vockel:

In meiner Jugend sicherlich meine Neugier. Ich wollte wissen, wie die Dinge funktionieren.

Frau K.:

Zum Beispiel?

Vockel:

Der Rasenmäher ist ein gutes Beispiel. Den musste ich immer schieben und dachte jedes Mal: Was für eine blöde Arbeit, warum kann der das nicht selbst? Und so hab ich angefangen zu basteln.

Frau K.:                    Und?

Vockel:

Hat geklappt, mit Fahrradvorderteil, starken Modellbaumotoren und Fernsteuerung. Leider war es noch nicht so ausgereift wie die heutigen Mähroboter und ich habe es irgendwann wieder zurückgebaut. Heute habe ich eine große Leidenschaft für Enduro-Motorräder, die nehme ich auch gerne mal hart ran und kann dann endlos daran herumschrauben.

Frau K.:

Klingt alles nach Maschinenbau, warum haben Sie dann Betriebswirtschaft studiert?

Vockel:

Weil ein BWL-Studium mehr Breite in der Ausbildung bietet! Das war mir wichtig für die Selbstständigkeit, von der ich schon vor dem Studium geträumt habe.

Frau K.:

Und die haben Sie ja auch erreicht, wie man aus Ihrem Lebenslauf lesen kann.

Vockel:

Nach einigen Jahren Berufserfahrung als Angestellter und kaufmännischer Leiter in verschiedenen Unternehmensbereichen habe ich mich selbstständig gemacht bzw. ein Unternehmen mit 40 Mitarbeitern gekauft. In der Druckbranche.

Frau K.:

In der Druckbranche? War das der Plan?

Vockel:

Nein, überhaupt nicht. Hätte man mich früher gefragt, hätte ich gesagt: Nada, bitte nicht. Es war doch abzusehen, dass die Branche schwierig wird.

Frau K.:

Wo haben Sie denn Ihre Chancen gesehen?

Vockel:

Das Internet stand in den Startlöchern, und ich wusste, dass Online-Produktkataloge zur Konkurrenz werden würden. Aber ich hatte Ideen. Ich wollte meine Ausbildung als Softwareentwickler mit der Druckbranche verbinden.

Frau K.:

Und, hat es geklappt?

Vockel:

Ja, 2006 habe ich meine eigene Softwarefirma gegründet. Zuerst musste ich aber in meiner Firma, die ich nun mit allen Menschen, Gebäuden und Maschinen führen musste, Ordnung schaffen. Ich wusste ja, dass sie sanierungsbedürftig war, und ich hatte in meinen früheren Jobs auch schon Erfahrungen im Bereich Restrukturierung und Sanierung gesammelt. Aber das war noch mal eine Nummer härter.

Frau K.:

In welcher Hinsicht?

Vockel:

Restrukturierungsmaßnahmen in Hülle und Fülle. Investitionsplanung mit Finanzierungsgesprächen, Maschinenanpassungen, Straffung und Ausbau des Kundenstamms und Optimierung der Produktionsabläufe waren zu meistern. In allen Bereichen musste gehandelt werden, und zwar schnell. Ich hatte ein sehr dickes Brett zu bohren.

Frau K.:

Aber Sie haben es geschafft?

Vockel:

Da hat mir meine Hartnäckigkeit oder auch Sturheit, die mir manchmal nachgesagt wird, sehr geholfen. Außerdem konnte ich zeigen, was ich in den Bereichen Produktion, Prozesskostenoptimierung, Verhandlungsführung etc. drauf habe.

Frau K.:

Und was haben Sie erreicht?

Vockel:

Ja nach einiger Zeit hatte ich eine gesunde Firma und konnte mich neuen Herausforderungen zuwenden. 2006 gründete ich meine IT-Firma, die heutige portavice GmbH. Damit hatte ich schon 2007 eine eigene von uns programmierte Onlinedruckerei, die europadruckerei.de. Kurz darauf entstand auch unser Marketingportal WiLMa® für verschiedene Branchen. Zum Beispiel für Vodafone, Wacker Neuson oder Iseki.

Frau K.:                    Vor fünf Jahren haben Sie Ihr Unternehmen dann verkauft. Warum?   

Vockel:

Ja, ich habe die Produktionsstätte mit den Maschinen verkauft. Einen Beteiligung an meiner IT-Firma portavice habe ich behalten. Meine vier Kinder hatten sich anderweitig orientiert und kein Interesse an der Druck- oder IT-Branche. Das habe ich akzeptiert und die Chance genutzt, noch einmal etwas Neues zu beginnen. 

Frau K.:

Und das war?

Vockel:

Ich habe an der Wilhelms-Universität-Münster Rechtswissenschaften studiert und mit dem Titel Wirtschaftsjurist LL.M. abgeschlossen.

Frau K.:

Interessant! Warum gerade dieses Studium?

Vockel:

In erster Linie aus Interesse, denn mein beruflicher Werdegang und meine unternehmerischen Herausforderungen haben mich immer wieder mit dem Recht in Berührung gebracht. Arbeitsverträge, Kunden- und Lieferantenverträge, aber auch digitales Recht, Datenschutzvereinbarungen, Softwareverträge waren zu formulieren. Ich wollte meine berufliche Erfahrung als Betriebswirt mit dem Wirtschaftsrecht verbinden. Und ich muss sagen, ich habe viel gelernt. Heute bin ich auch in der Lage, ad hoc die Aufgabe eines Interimgeschäftsführers zu übernehmen.

Frau K.:

Was bedeutet das?

Vockel:

Ein Unternehmen muss nicht immer in eine finanzielle Schieflage geraten, es gibt leider auch die Situation, dass der Firmeninhaber oder Geschäftsführer erkrankt oder plötzlich ausfällt. Dann ist Eile geboten und jemand muss das Unternehmen weiterführen.

Frau K.:

Sehr interessant. Und in welchen Branchen?

Vockel:

Für mich sind produzierende Unternehmen mit Einzel-, Klein- und Mittelserienfertigung sowie IT-Unternehmen interessant. Die Aufgaben in einer Kleinserienblechfertigung oder in einer Druckerei sind zum Beispiel sehr ähnlich, das habe ich an unserer KI-gestützten Produktionsplanung für die Einzel- und Kleinserienfertigung gesehen. In den letzten fünf Jahren habe ich meine IT-Firma von einem kleinen, unbekannten Unternehmen zu einem Spezialisten für Print und Online entwickelt. Wer wie ich generalistisch ausgebildet ist, kann solche Unternehmen so lange interimistisch weiterführen, bis eine für alle Beteiligten sinnvolle und stabile Lösung zur Fortführung gefunden ist.

Frau K.:

Herr Vockel, eine seltene und sehr spannende Karriere. Sehr beeindruckend. Vielen Dank für das Gespräch, alles Gute und viel Erfolg für Sie und Ihre Arbeit.

Vockel:

Ich bedanke mich auch.